Ein Interview mit Dr. Katharina Wirtz
Frau Wirtz, Sie sind ein erfahrener SCRUM-Projektcoach und langjährige Führungskraft. Wie kann man ein Projekt steuern, damit es erfolgreich verläuft?
Das große Thema ist meiner Meinung nach immer die Kommunikation – denn nur wenn man über Dinge spricht und sich abstimmt, können die gemeinsamen Ziele erreicht werden.
Wobei auch über die Ziele erst einmal gesprochen werden sollte, oder?
Wer davon ausgeht, dass die Zielsetzung sozusagen im Projekt steckt und selbsterklärend ist, erleidet früher oder später Schiffbruch, das sehe ich immer wieder.
Also muss man vorher alles genau definieren und besprechen? Das stelle ich mir anstrengend vor …
Ich hole etwas weiter aus, damit klar wird, was ich meine: Was einerseits die Entwicklung eines Projekts hemmt, ist zu viel Abstimmungsbedarf oder auch Unklarheit darüber, wer die Entscheidungen fällen kann. Problematisch ist außerdem, alle Unklarheiten im Vorfeld klären zu wollen. Andererseits: Wird ein Projekt einfach geleitet, ohne die Zielsetzung zu definieren, weiß keiner genau, wo die Reise hingehen soll. Sie sehen, es ist gar nicht so einfach, in der Kommunikation einen guten Mittelweg zu finden, ohne sich vorher dazu Gedanken zu machen.
Kommunikation ist aber essenziell: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Projekte sehr häufig an den unterschiedlichen Realitäten der Beteiligten scheitern. Und an versteckten, egogetriebenen Agenden. Das ist den Leuten in der Führungsebene oft nicht bewusst.
Wie lässt sich das auf SCRUM übertragen?
SCRUM ist ein Framework, das es ermöglicht, sich schrittweise vorzubewegen. SCRUM regelt die Kommunikation, indem die Einheiten klein und die Hierarchien flach gehalten werden. Wenn man es ordentlich macht, ist mit SCRUM bei jedem Team ein eindeutiges Produkt definiert, mit dem die Teams agil arbeiten können.
Und wo ist der Haken?
Es kommt natürlich immer auf die Umsetzung an. Leider habe ich bei vielen Implementierungen erlebt, wie SCRUM falsch eingesetzt nur noch als leere Hülle fungiert. Die Begrifflichkeiten und die Strukturen wurden zwar übernommen, aber sinnentfremdet. So fehlten z. B. die Werte, die Selbstorganisation, der klare Produktgedanke, der Wert für den Kunden oder das Bewusstsein darüber, was der Kunde eigentlich will. Häufig heißt es, man lebe SCRUM, aber in der Umsetzung findet man dann nicht die Grundelemente, die dazugehören.
Man sollte also nur echte SCRUM-Profis einsetzen, idealerweise zertifizierte SCRUM Master, oder?
Jein. Profis, ja. Menschen, die das Prinzip verstanden und verinnerlicht haben. Eine offizielle Zertifizierung ist etwas Schönes, aber meiner Ansicht nach nicht unbedingt notwendig dafür, dass ein Projekt funktioniert. Ein guter SCRUM Master braucht kein Zertifikat, sondern soziale Kompetenz. Und etwas Demut, denn sie/er hat ja die Aufgabe, sich vermeintlich überflüssig zu machen. Neugier ist auch wichtig: Hinzuschauen, wo sich Ängste verstecken und wo das eigene Ego im Weg steht. Ein SCRUM Master, der nicht loslassen kann, der wie eine Glucke übers Team wacht, verlangsamt den Projekterfolg. Wohingegen ein guter SCRUM Master die Teamperformance wirklich pushen kann.
Angenommen, wir haben nun einen perfekten SCRUM Master mit einem hochmotivierten Team: Was braucht es dann noch, um ein Projekt zum Erfolg zu führen?
Das mag trivial klingen, aber: eine greifbare Produktidee, die einen Wert liefert. In vielen Projekten existiert das leider nicht. Es wird zu viel entwickelt, das keinen erkennbaren Wert hat. Zu einer erfolgreichen Produktentwicklung gehören deshalb die Abstimmung mit den Kunden und die Möglichkeit, den Wert immer wieder herauszuarbeiten und neu zu beurteilen. Dazu brauche ich ein funktionierendes, selbst organisiertes Team mit flachen Hierarchien. Wenn nur einer ein zu großes Ego hat, zum Beispiel in einem Team von Entwicklern, hemmt das schon die Leistung des Teams als Gesamtheit. Die Lernfähigkeit und Innovationsfähigkeit eines Teams sind ebenfalls wichtige Schlüssel und Impulse, die das Projekt voranbringen.
Welche Hürden müssen genommen werden, um Mitarbeiter zu neuen Denkweisen zu motivieren?
Eine der größten Hürden ist die Angst, individuelle Vorteile zu verlieren und die eigene Position zu gefährden. Um diese Ängste zu überwinden, muss ein sicherer Rahmen geschaffen werden. Ein Rahmen, in dem man auch scheitern darf und in dem Lust auf Neues geweckt wird. Die Angst mancher Mitarbeiter vor einer neuen Richtung ist meist sehr groß. Nur im Team kann es funktionieren, alle dazu zu bewegen, ihre Unsicherheit zu überwinden und nachzuziehen. Das erfordert auch Verständnis für konservativeres Denken und weniger Innovationsbegeisterung – was aber nicht schlecht sein muss. Eine gewisse Verlangsamung kann im Laufe des Projektes auch zu mehr Sicherheit und Stabilität führen.
Agile Projekte leben von flachen Hierarchien. Welche Rolle spielen die Führungskräfte dabei?
Gute Führungskräfte wussten schon immer, wie sie ihr Team agil halten und motivieren. Es gibt aktuell viele Diskussionen darüber, ob ich überhaupt noch eine Führungskraft in einem SCRUM-Team brauche. Ich sage: ja! Wir brauchen im Team immer einen charismatischen Leitwolf, der in der Lage ist, voranzugehen und zu motivieren.
Was muss eine gute Führungskraft mitbringen?
Sie muss nah am Team sein und die Leistung des Teams beurteilen und verstehen können. Nur dann erfährt sie als Führungskraft Akzeptanz. Wenn ich als Mitarbeiter erkenne, dass die/der Vorgesetzte sieht und versteht, was ich tue, kann ich Lob und auch Kritik annehmen und die Entscheidungen dieser Führungskraft ernst nehmen. Ich kenne Projektleiter, die immer gerne loben. Das ist nett gemeint, kann aber kontraproduktiv sein, wenn der Eindruck entsteht, dass der Vorgesetzte eigentlich nicht weiß, worum es geht.
Die Rolle der Führungskraft muss also im Grunde neu definiert werden?
In diesem Zusammenhang: ja. Das bestätigt auch die Tatsache, dass viele Führungskräfte nicht sehen, welche Rolle sie in einem agilen Team spielen sollen, und sich auf die Rolle als Personalorganisator zurückziehen. Der Biss einer Führungskraft, die Bereitschaft, Themen langfristig zu verfolgen und dem Team immer wieder verständlich zu machen, was bisher erreicht wurde und was das Ziel ist, ist für ein Team und für den Erfolg eines Projektes extrem wichtig. Für diese Rolle brauche ich besonders in größeren Strukturen jemanden mit Mut und Erfahrung.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Bei Payback leitete ich ein selbstorganisiertes Team und ging beruhigt in den Urlaub mit dem Bewusstsein, dass mich keiner brauchen würde. Als ich wieder zurück war, waren meine Mitarbeiter erleichtert, dass ich wieder da war. Auf meine Frage, was ihnen gefehlt hätte, antwortete man mir: „Es war niemand da, der entscheiden wollte.“ Diese Instanz, die zuhört, versteht und dann sagt, jetzt machen wir das, hatte dem Team gefehlt. Als Führungskraft muss ich mir bewusst machen, dass die Lösung meist schon im Team vorhanden ist, jedoch trotzdem jemand gebraucht wird, der an das Team glaubt, zuhört, und lang genug nachfragt, bis das Team hinter einer Entscheidung stehen kann.
Worin liegt der größte Wert agiler Methoden?
Für mich ist das stärkste Tool eine regelmäßige Retrospektive, die gut vorbereitet sein muss. Wo kommen wir her und was haben wir bereits erreicht? Man verliert schnell das Bewusstsein dafür, wenn man sich die Antwort auf diese Fragen nicht immer wieder vor Augen führt.
Welche Möglichkeiten gibt es, sich im Team Ziele und Erfolge bewusst zu machen?
Ich habe einmal als neue Führungskraft in einem Team mit hoher Fluktuation und geringer Motivation eine Übung gemacht, die zunächst banal wirkte. Wir stellten uns die Frage: Was sind die Wünsche jedes Einzelnen für das Team? Das Ergebnis hängten wir an eine Glaswand und ließen es dort ein Jahr lang hängen.
Nach einem Jahr stellten sind wir darauf zurückgekommen und nach einem neuen Blick auf die Glaswand waren wir total erstaunt, begeistert und motiviert für unsere weitere Zusammenarbeit. Warum? Wir konnten sehen, welche Probleme wir gelöst hatten und was wir bereits erreicht hatten. Wir haben realisiert, welche Erfolge sich eingestellt hatten, die ein Jahr zuvor nur vage Träume waren.
SCRUMKITCHEN ist Ihr eigenes Konzept. Wie haben wir uns so einen SCRUM-Cooking-Workshop vorzustellen?
Immer unterschiedlich. Wir stellen uns bei den Workshops auf die Bedürfnisse und Fragestellungen der Gruppe ein, mit der wir kochen. Aber ganz allgemein gesagt kann man dort in einer ungewohnten und deshalb inspirierenden Umgebung erleben, wie wirkungsvoll Scrum als Methode z. B. bei der Retrospektive ist. Der erste Sprint ist immer etwas chaotisch. Aber bereits der zweite Sprint zeigt, wie schnell sich ein Team findet und wie sehr gemeinsame Rückschau dabei hilft, den nächsten Prozess effektiver abzuwickeln. Die Leistung des Teams wird erlebbar.
Würden Sie SCRUM-Cooking als Team-Event empfehlen?
Ja, absolut. Die Teilnehmer bestätigen mir immer wieder, wie wertvoll dieses Event für sie war. Zum einen, um als Team zusammenzuwachsen, und zum anderen, um SCRUM zu verstehen.
Sie alle erleben, wie das Kochen in der Gruppe Spaß macht und verbindet. Sich gemeinsam beim Zwiebelschneiden die Augen auszuheulen, schweißt eindeutig zusammen (lacht). Aber das Tolle ist: Die wenigsten unserer Teilnehmer sind begeisterte Hobby-Köche. Und ein ganzes Menü zu zaubern ist wirklich etwas Großartiges. Unsere Teilnehmer sind stolz auf ihre Leistung und begeistert vom gemeinsamen Erlebnis. Und dabei gibt es nicht diesen Stress, der sich einschleicht, wenn man mal etwas ganz Besonderes zubereiten möchte und vielleicht Gäste eingeladen hat. SCRUM-Cooking erlaubt einen ganz neuen Blick auf Dinge wie Teamwork … Und dass, obwohl bzw. gerade weil mit SCRUM gearbeitet wird. Wenn aus Arbeitsabläufen, die bei der Besprechung noch sperrig und zäh und vielleicht unübersichtlich gewirkt haben, ein leckeres Essen entsteht, wird das Konzept auf einmal greifbar, verständlich und – man kann sogar sagen: leicht verdaulich.
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